AsienReisetagebuchStartseite

China, von Kulturschock und Kontrolle

Stephi8 comments2103 views
China

Vier Wochen China liegen hinter uns

Knappe vier Wochen waren wir in China, der ursprüngliche Plan war eigentlich drei Monate und dann mit dem Rad von Peking nach Vietnam. Allerdings wurde dieser Traum von den Visabedingungen durchkreuzt und bedingt durch Zeit- und Geldmangel war nur ein Vierwochenvisum drinnen. Es gibt zwar Möglichkeiten, dieses unterwegs zweimal kostenpflichtig zu verlängern aber der Aufwand ist für mich als Alleinreisende mit Kind in einem Land, dessen Sprache ich nicht verstehe einfach zu groß.

Ich möchte nicht verurteilen

Bevor ich ein wenig auf die Kultur eingehen möchte, der ich in China begenet bin, solltest du wissen, ich bin sicher keine Expertin für Völkerkunde und was ich schreibe, ist einzig und allein meine persönliche Meinung. Ich verurteile grundsätzlich niemanden aber ich erlebe Momentaufnahmen, hinterfrage diese und versuche mir ein Bild zu machen, dass ich an dich als Leser weiter geben möchte. Was du am Ende draus machst, ob du es genauso siehst oder dir ein anderes Bild draus machst, das will ich keinesfalls beeinflussen.

Mein Kulturschock in China

Meine ersten Tage in China und speziell Peking sind geprägt von Unsicherheit und dem Gefühl gänzlich allein zu sein. Niemand versteht mich und ich stelle fest, ich bin innerhalb kürzester Zeit an meine Grenzen gekommen. Die Sprachbarriere zwingt mich fast in die Knie, die vielen Menschen machen mich kirre, absagende Hostfamilien hinterlassen ein Bild der Verwüstung in mein Urvertrauen. Und eigentlich ist mir genau jetzt danach, sofort das Land zu verlassen. Das ist der klassische Fall von Kultutrschock. Ich beginne Fragen zu stellen, suche nach Antworten.

Von Überbevölkerung und Ein-Kind-Politik

China ist ein Land, das mit Überbevölkerung zu kämpfen hat, dies merke ich an jeder Ecke und an jedem Platz. Alles wird hier in die Höhe gebaut, das Leben findet oft auf engsten Raum statt und nicht selten leben mehrere Generationen unter einem Dach. Mir begegnet ein hektisches Land, Ellenbogen in der U-Bahn, ein rauher Umgangston und wenig Geduld für Unklarheiten. Nicht zuletzt auch ein Resultat der Ein-Kind-Politik.

Traditionelles China

Um der Überbevölkerung entgegen zu wirken, die zumeist daraus resultiert, dass die Familien auf einen Jungen hin gearbeitet haben, trat die Ein-Kind-Politik in Kraft, die es den Familien untersagte, mehr als nur ein Kind zu haben. Warum es so wichtig war einen Jungen zu haben? Ganz einfach, wenn die Kinder groß sind und heiraten, ziehen die Frauen traditionell zur Familie des Mannes, was wiederum für die andere Familie bedeutet, jegliche Hilfe im Haushalt, auf dem Feld oder im Familienbetrieb ist weg.

Soziale Kontakte in China

Diese wirklich sehr strikte Politik hat allerdings zur Folge, dass das Miteinander in China ein wenig verloren geht. Wer was erreichen will und hervor stechen will, muss hart an sich arbeiten und das oft den ganzen Tag, soziale Kontakte bleiben dabei oft auf der Strecke und nicht selten findet dieses Defizit Ausgleich im multimedialen Bereichen. Die Unterschiede zwischen der älteren Bevölkerung, der 30 jährigen und der Jugendlichen ist gravierend im Verhalten. Während die ältere Bevölkerung sehr bemüht ist, Traditionen zu wahren und innere Ruhe zu finden beispielsweise durch Tai Chi oder traditionelle Tänze und auch oft ein Lächeln parrat hat, trifft man bei den Mitdreißigern nicht selten auf Ellenbogen, bei den Jugendlichen hingegen auf ein hohes Maß an Neugierde und damit verbunden auch Hilfsbereitschaft. Neugierde wird übrigens in China groß geschrieben, alles wird bestaunt, in Szene gesetzt und für das Familienalbum fotografiert. Nicht selten werden ausländische Kinder mit der Kamera verfolgt oder man setzt sie gar in Pose. Ich kenne ein ähnliches Verhalten aus Südostasien, jedoch begenet es mir in China deutlich aufdringlicher.

Fordern und Fördern in China

Kennst du eigentlich den Begriff “TigerMummy”? Das erste Mal ist mir dieser Begriff auf meiner Reise in die USA über den Weg gelaufen. Damit wird eine Mutter bezeichnet, die ihr Kind im höchsten Maße fördert und fordert. Klavier spielen, Geige lernen, Mathematikclub, Sprachförderung in drei Sprachen, Bewegungstanz, Schwimmunterricht, Computerkurs und dabei immer diszipliniert sein. Das trifft in etwa auf die durchschnittliche chinesische Mutter zu. Ich möchte das nicht verurteilen und ich gestehe, diese ausserordentliche Disziplin der schon Kleinsten imponiert mir schon ein wenig während es mir zeitgleich Angst einflößt. Wir lernen eine Familie kennen, dessen Einjähriger eine Sprachlehrerin hat, weil er erst Mama und Papa sagen kann, eine 4jährige, die jeden Tag bis zu 4 Stunden Geige übt und stellen fest die Parks und Spielplätze sind oft den ganzen Nachmittag menschenleer und vor jedem Geschäft stehen Computerspiele oder andere mediale Spielgeräte für die Kinder. Um so glücklicher bin ich darüber auch eine andere Familie kennen zu lernen, die neben dem Respekt vor den staatlichen Reglements ihr ganz eigenes glückliches Leben führt, die das Wochenende nutzen, um Traditionen zu wahren, die keine perfekten Leistungen von ihrem Kind fordern, die ihrem Kind auch gefährliche Dinge wie das Erklimmen eines Baumes erlauben, die sich irgendwie anpassen und doch so anders sind.

Leere Spielplätze in China

In China wird wie in den meisten Ländern geschlechtsspezifisch erzogen, Mädchen fromm und zart, Jungen stark und zielstrebig. Die Tatsache, dass aber besonders die Jungenerziehung sehr auf Waffen gerichtet ist, erschreckt mich ein wenig. Auf dem Spielplatz sehe ich bereits am zweiten Tag einen Dreijährigen mit einem Plastikmaschinengewähr spielen, diese gibt es quasi an jeder Ecke zu kaufen, auch Panzer stehen oft vor den Geschäften neben einem Flieger zum Geld einwerfen und drin fahren, in den U-Bahn Fernsehern werden oft salutierende Soldaten gezeigt, die Comicsendungen haben alle einen gewaltigen Einfluss von Waffen und dass mein Sohn bereits nach einer Woche China seinen Berufswunsch von Busfahrer auf Soldat ändert, stimmt mich sehr nachdenklich

Rücksichtnahme in China

Rücksichtnahme in China ist ein Sammelbegriff für verschiedene Dinge, die aus den unterschiedichsten Gründen nicht umsetzbar sind. Auf der Frage nach dem Warum finde ich nicht viele Antworten und verweise auf Unwissenheit. Es ist in China kein Problem zu rölpsen oder einfach so auf den Boden zu spucken, was meinem Sohn ganz gut gefällt. Auch Schmatzen und Nase schnauzen beim Essen stellt keine Einschränkung dar. Dinge, an die man sich auch irgendwie gewöhnen kann. Jeder Raucher freut sich wahrscheinlich jetzt darüber zu hören, dass dies quasi noch überall erlaubt ist und es gar zur guten Schule gehört zu rauchen.

Reglements in China

China hat ein Problem mit der Überbevölkerung, das lässt sich keinesfalls leugnen. Wie schafft man es also, dass diese enorme Masse an Menschen sich nicht verselbstständigt? Man steckt Grenzen, reglementiert Dinge, die ohne solche Verbote aus dem Ruder geraten könnten. Man muss die Menschen bei Laune halten. China ist eines der wohl produktivsten Länder der Welt, wer es nicht glaubt, greift sich mal auf die Schnelle 5 Haushalts-, Spiel- oder Mediageräte, Made in China und vor Ort werden viele Stellen doppelt und dreifach besetzt, beispielsweise sitzen in den U-Bahnen zwei Bahnführer. Als Tourist bin ich auch von einigen dieser Verbote betroffen, ich darf nicht in jedem Hotel unterkommen und Youtube, Facebook und Google sind gesperrt, weil die Ausmaße solcher Portale für die chinesische Regierung nicht kontrollierbar sind. Um den Menschen Alternativen aufzuzeigen, gibt es die chinesische Version von Facebook, die sich deutlich besser kontrollieren lässt. Die Nachrichteneinschränkung kennt wohl jedes Land und macht auch vor China kein Halt. Wer in China ein gewisses Maß an Freiheit leben möchte, zahlt viel Geld dafür. Ein Autokennzeichen kostet beispielsweise je nach Stadt auche einen Betrag im vierstelligen Bereich.

Wer soviele Menschen auf engsten Raum bevölkert hat, dem bleibt am Ende gar nichts anderes übrig als Kontrollen und Regeln einzuführen, die für die westliche Bevölkerung zwar befremdlich wirken aber am Ende unabdingbar scheinen.

Mein Fazit zu China

China ist auch nach vier Wochen noch immer in vielen Dingen fremd für mich aber in einigen auch sehr vertraut. Ich werde China wieder besuchen, weil ich noch mehr über dieses Land erfahren möchte, weil es noch immer offene Fragen gibt und weil ich viel zu wenig aufsaugen konnte wegen meines ganz eigenen Kulturschocks.

Wer nach China reist, der sollte vor allem mit vielen Menschen rechnen, immer genug Geld dabei haben, denn alles kostet, mit anderen Gewohnheiten rechnen, auch die Toiletten lassen wenig Privatsphäre übrig, sich einer starken Kontrolle unterziehen, jeder U-Bahnhof untersucht das Gepäck, Bahntickets gibt es nur personalisiert in China, selbst eine Prepaid-Sim-Karte erfordert einem personalierten Prozess, der von einer Fachkraft bearbeitet werden muss und das wichtigste ist, sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Wer sich dem ganzen öffnet und gelassen entgegen schaut, erlebt mit China ein ausserordentlich interessantes Land, dessen Kultur über Jahrhunderte bewahrt wurde. China ist ein Land, welches mich zeitgleich geschockt und begeistert hat. Am Ende möchte ich das Land gar nicht verlassen, weil es mich noch so unwissend stehen lässt. Ich werde China wieder besuchen und Antworten auf viele weitere Fragen suchen.

Wenn du noch weitere Fragen zu China und der Kultur hast, die mir begegnet ist, hinterlassen gern einen Kommentar oder schreib mich direkt an.

Nützliche Links zu China

Stephi
Alleinerziehend.Reisesüchtig.Freiheitsliebend.Alternativ.

8 Comments

  1. Hallo Stephanie,

    ich will deine Beobachtungen und dein Gefühl nicht in Frage stellen. Aber ich habe sechs Jahre in China gelebt und selber einiges an “Kulturschock-Erfahrungen” sammeln können und müssen und sehe aus dieser Erfahrung einiges etwas anders, zudem sind ein paar deiner Infos nicht mehr so ganz aktuell.

    Das mit dem Rauchverbot habe ich ja schon in einem anderen Kommentar erwähnt. Im ganzen Land gibt es Rauchverbote in geschlossenen Räumen. Vor zehn Jahren war das noch krass anders als heute. Die Einkindpolitik gilt nur noch sehr eingeschränkt und wird vermutlich nächstes Jahr ganz abgeschafft. Mittlerweile kämpft China nämlich nicht mehr mit der Überbevölkerung, sondern mit mangelndem Nachwuchs. Das gleiche Problem, das ja auch Europa kennt. Wenn du mal aus den Städten rausfährst und in die Dörfer gehst, siehst du mal, dass China an vielen Orten sehr dünn besiedelt ist.

    Zur Überwachung: Den chinesischen Überwachungsstaat kritisieren wir ja gern, aber Europa steht da China nicht gross nach. Auch in der Schweiz bekommst du keine SIM-Karte, ohne dich mit dem Pass zu registrieren. Auch bei uns gibt es an allen Ecken Kameras, welche dein Bewegungsprofil registrieren. Als ich vor ein paar Jahren das Zollamt interviewte, sagte mein Gesprächspartner, dass man bei jedem Auto nachvollziehen kann, wo es in den letzten Stunden war. Den Überwachungsstaat haben auch wir.

    Gruss,
    Oli

    1. Hallo Olli,
      bei sechs Jahren China kann ich natürlich nicht mithalten. Das Rauchverbot gibt es in der Tat, nur an der Einhaltung harpert es an einigen Stellen noch gewaltig. Und dabei ist es nach meiner Erfahrung so, je !ehr low Budget, desto weniger kümmert es jemanden. Es wird einfach noch vielbzu oft geduldet und das haben mir auch die Couchsurfer Familien bestätigt. Was die Ein-Kind-Politik angeht, gebe ich dir recht. Sie ist deutlich lockerer geworden, was jedoch nach meinen Informationen so gehalten wird, dass eine Familie zwei Kinder oder mehr haben darf, wenn sie als Eltern mindestens einmal Einzelkind waren oder ein Stange Geld bezahlen. Und ja, auf dem Land ist es einsam, denn jeder will was vom großen Happen abkriegen.
      Zu der Überwachung in der Schweiz habe ich keine Informationen und ich hatte auch keine Absicht, die Überwachung in China als böse Kritik hinzustellen, sondern eher als eine Tatsache, die jeder Reisende wissen sollte.

      1. Ja, du hast Recht. Die Einhaltung des Rauchverbots ist ein Problem. Nachdem das generelle Rauchverbot vor einem oder zwei Jahren eingeführt wurde, ging ein Reporterteam in ein Krankenhaus (!) und erwischte dort Gäste. die in den Gängen rauchten. Ich denke, das hängt auch damit zusammen, dass man sich in China generell weniger in die Angelegenheiten anderer Menschen einmischt, mit all seinen Vor- und Nachteilen.

        Übrigens: Seit ich das letzte Mal hier war, wurde nun die Einkindpolitik ganz abgeschaft. Zuvor war die Regel, dass zwei Einzelkinder ein zweites Kind bekommen dürfen, sowie die Angehörigen von ethnischen Minderheiten. Wer gegen die Regel verstiess, musste ein hohes Busgeld bezahlen. Wurde die Strafe nicht bezahlt – und das kam natürlich bei den ärmeren Leuten häufig vor – wurde das Kind übrigens nicht einfach zwangsabgetrieben oder nach der Geburt getötet, sondern es wurde nicht registriert. Das hatte dann zur Folge, dass die Kinder grosse Probleme mit Versicherung, Einschulung oder der Beantragung von Reisedokumenten haben.

        Gruss,
        Oli

  2. Ich habe über vier Jahre in China gelebt – und die größte Herausforderung war, dieses Land der Extreme, mit seinen so vielen wunderbaren und genauso vielen unschönen Dingen anzunehmen wie es ist. Mein westliches Werten so gut es geht abzulegen und zu aktzeptieren, dass dieses Land seit tausenden Jahren völlig anders tickt als wir es uns vorstellen können. Und dass das erstmal ok ist. Da wurde meine Toleranz ganz schön auf die Probe gestellt und ich hatte einiges zu lernen. 🙂

    Nach wie vor gibt es unendlich viel, was ich nicht aktzeptieren kann und möchte, Sachen die mich auf die Palme bringen, verzweifeln lassen, meinen Gerechtigkeitssinn quälen. Aber ich habe viel gelernt, einen großen, großen Respekt entwickelt gegenüber den Menschen in China, Verständnis dafür entwickelt, dass in einem 1,x-Milliarden-Volk manche Dinge anders laufen (müssen) als in unseren kleinen europäischen Völkchen, auch dass man völlig andere Werte haben kann. Ich habe erkannt, dass die westliche Berichterstattung sehr einseitig, wertend und nicht immer korrekt ist. (Wir können das nämlich auch! ;-))

    Ich hatte die Chance einzutauchen, habe anfangs genau die Hilflosigkeit und Verunsicherung erlebt, von der Du schreibst, habe Stück für Stück die vielen kleinen liebenswerten Eigenarten im Alltag, auf der Straße und in Begegnungen entdeckt und letztendlich mein Herz verloren. Aber vielleicht braucht man in China dafür mehr Zeit als die, die man normalerweise für eine Reise hat.

    Liebe Grüße!
    Suse

    1. Liebe Suse,
      Vielen Dank für dein tolles Feedback. Nach vier Wochen habe auch ich das Beduerfnis gehabt, noch viel länger zu bleiben und tiefer und tiefer in die mir noch so fremde Kultur einzutauchen, aktuell sind wir in Hong Kong und auch wenn der britische Einfluss hier deutlich vertreten ist, treffen wir auf eine so weltoffene und freundliche chinesiche Kultur. Ich geniesse jeden Augenblick, ein Stück näher zu kommen. Somit kann ich deine Liebe zu China sehr gut nachvollziehen.

  3. Hallo Stephi,
    ja, vier Wochen reichen nicht aus, um sich ein objektives BIld von diesem grandiosen Land machen zu können.
    Auch ich habe nach meinen ersten 4 Wochen in China (1987) geschwankt, ob ich China lieben oder hassen soll. Mittlerweile ist eine große Liebe daraus geworden. Dadurch, dass ich fast jedes Jahr, aber immer auch mit Unterbrechung nach China reise, kann ich die Veränderungen gut sehen. Und vieles ist Positiv.
    Zwei Anmerkungen zu Deinem Artikel:
    Schon vor 10 Jahren gab es nur rund 30% der Bevölkerung, für die das Ein-Kind-Gebot galt. Es gab viele, viele Ausnahmen.
    Der Preis für ein Nummernschild richtet sich nicht in der Hauptsache nach der Stadt sondrn danach, wie oft die Glückszahl 8 drin vorkommt. Je mehr 8 desto teurer.
    Schöne Reisen
    Ulrike

Leave a Response