Eine digitale Nomadin erzählt ihre Geschichte
Job gekündigt und nun?
Es erreichen mich immer wieder Fragen, wie sich so ein Leben als digitale Nomadin gestaltet und wie sich der Tag abspielt aber ich muss dir etwas trauriges sagen, ich bin gar keine digitale Nomadin. Es wäre super schön wenn ich von meiner Schreibe leben könnte aber aktuell bin ich davon einfach weit entfernt. Tatsächlich schaffen es die wenigstens über ihren Blog. Die meisten haben verschiedene Standbeine und nutzen den Blog eher als Visitenkarte. Ich habe eine junge Frau ausfindig gemacht, die dir heute einmal aus ihrem Leben als digitale Nomadin vorliest. Julia ist Storytellerin. Auf ihren Blog Bezirzt findest du Geschichten, die das Leben schreibt. Erlebnisse aus einer fremden Kultur oder Begegnungen, die Eindruck hinterlassen haben. Neben dem eigenen Blog füttert sie aber noch weitere Seiten mit ihrer Schreibe und ermöglicht sich dadurch ein Leben als digitale Nomadin.
Der Sprung ins kalte Wasser. Oder: Wie ich ausstieg, ohne „drin“ gewesen zu sein
„Julia, still working?“ Ich sitze im Tel Aviver In-Viertel Florentine auf der Dachterrasse meines Hostels und Eli, einer der Mitarbeiter schaut mich zwinkernd an. Ich bin seit vier Tagen im Florentines Hostel und Eli hatte mich ganz entgeistert angeschaut, als er mich am ersten Tag bei strahlendem Sonnenschein mit dem Laptop erwischte. „That is what you do in your holidays?“, fragt er und schaute mich an, als wäre ich von allen guten Geistern verlassen. Als ich ihm erklärte, dass ich Freelancer bin und die Kosten meines Israeltrips hereinhole, in dem ich während der Reise ein paar Texte für meine Kunden schreibe, nickte er zögerlich und sagte: „But please, go to the beach after you finish your work, promise?“
Ohne Netz, ohne doppelten Boden
Doch spulen wir kurz zurück: Es ist Sommer 2015 und ich habe gerade meinen unbefristeten Job in Berlin gekündigt. Ein Magazin wollte mich als Autorin. Ich zögerte keine Sekunde, reichte die Kündigung ein, um am nächsten Tag die Mail im Postfach zu haben, dass sich das mit dem Magazin in Luft aufgelöst hatte. Ich hatte also gekündigt, ohne Netz, ohne doppelten Boden und mit viel Luft nach oben.
Jahrelang malochen, arbeiten, um zu leben. Und die Frage: Welches Leben? Neun Stunden Büro, zehn mit Fahrtzeit. Danach essen, noch eine Folge Gilmore Girls, bevor mir die Augen zufallen. Um auszusteigen, muss man ja irgendwo drin sein, woraus man aussteigen kann. Bei mir war es ein wenig anders. Klar, auch ich kann von Praktika erzählen, bei denen ich Vollzeit arbeiten musste und mir nicht einmal das Mittagsessen mit den Kollegen leisten konnte. Wo ich alles gab für die leise Andeutung, dass man danach vielleicht einen Fuß in die Tür kriegen kann. Was natürlich nie passierte. Doch ich musste nicht jahrelang 40 oder 50 Stunden in der Agentur arbeiten, um zu merken: Das ist es nicht. Ich arbeitete in meinem ersten „richtigen“ Job nach der Uni genau 1,5 Jahre in Teilzeit. Blöde Uhrzeit, stressige Kunden, aber nette Kollegen und viel Freizeit. Ich kann keine langen Leidensgeschichten erzählen, um meine Entscheidung zu erklären.
Ein Ausstieg ohne wirklich drin gewesen zu sein
Es ist kein Ausstieg, weil ich nie so richtig drin war in der bösen Maschinerie namens Hamsterrad. Doch trotzdem habe ich neu begonnen. Ich stand nach meiner Kündigung da, mit nichts in der Hand als meiner neuen Freiheit. Schon während meiner Studienzeit hatte ich mit dem Schreiben begonnen. Erst über Kunsthemen,dann übers Reisen und da war ja noch mein Blog. Ich hatte ein paar kleinere Kunden für SEO-Texte, doch wie ich meine monatlichen Kosten nun denke sollte? Keine Ahnung. Ich war ins kalte Wasser gesprungen und bin ziemlich tief eingetaucht.
Mein Luxus heißt Freiheit als digitale Nomadin
Es dauerte vielleicht ein paar Wochen, dann schrieb mich ein Blogger an, mit dem ich mal ein Interview geführt hatte und fragte mich, ob ich gerne für ein neu gegründetes Reisemagazin schreiben wolle. Klar!
Und so kam eins zum anderen. Mittlerweile habe ich eine Hand voll Magazine, ein paar Texteraufträge und kann es mir leisten Aufträge abzusagen, die nicht zu mir passen. Ich bekomme ein paar Kröten zusammen, die meine Fixkosten decken und mir das Reisen erlauben, sicher kein Vermögen. Ich gehe mit meinem Freund gerne essen, ins Kino, wir treffen uns mit Freunden in der Kneipe und dafür reicht es. Ich brauch weder Auto noch ein teures Smartphone, ich habe weder einen Fernseher noch Marken-Klamotten, dafür reise ich. Ich komme gut über die Runden und kann mir meine Zeit selbst einteilen und besser noch: Arbeiten, wo immer ich möchte. Dieses Jahr war ich in Mexiko, im Baskenland, in der Pfalz wandern, in Andalusien und in Israel und unzählige Male bei meinen Eltern in der Pfalz. Ich konnte bei jedem Geburtstag dabei sein, bei jedem Dorffest und all das, ohne Urlaub zu nehmen. Ohne, um Erlaubnis fragen zu müssen. Das ist mein Luxus, meine Freiheit.
Die Schattenseiten der Freiheit als digitale Nomadin
Was die Schattenseiten sind? Oh ja, die gibt es! In erster Linie das Alleinsein. Ich bin eine One-Woman-Show und bin eigentlich gerne in Gesellschaft. Ich arbeite von Cafés aus. Keine Kollegen, keine Meetings, keine Weihnachtsfeier. Doch ich habe mittlerweile ein paar Mitstreiterinnen gefunden, mit denen ich mich zu Worksessions treffe und gelernt, das Alleinsein nicht mehr als Bürde zu sehen. Wenn ich mal bei einem Kunden im Büro bin und merke, wie schlecht die Stimmung ist, freue ich mich, dass ich hier einfach wieder herausspazieren kann.
Ich muss mich immer wieder hinsetzen und Akquise machen, manchmal fühlt sich das an wie Bewerbungen am laufenden Band. Ich brüte hin und wieder ewig über einer Kalkulation, ärgere mich über Preisvorstellungen oder darüber, dass ich mich mal wieder zu billig verkauft habe. Doch ich merke auch, wie sehr ich an all den Aufgaben wachse.
Ich werde selbstbewusster und das hilft mir auch beim Alleinreisen. Ich war alleine in Andalusien und in Israel. Gerade Israel hätte ich mich vorher nie getraut. Dabei habe ich so viele inspirierende Menschen kennengelernt, die ich schon jetzt zu meinen Freunden zähle und habe die Gewissheit: Ich kann das alleine. Und das fühlt sich richtig gut an
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Und eines noch: Während meiner letzten reise ist ein Wunsch in mir gereift, der schon lange in mir schlummerte. Denn so sehr mir der Onlinejournalismus die Türen für mein jetziges Leben geöffnet hat, ich will nachhaltiger schreiben. Anders: Ich will ein Buch schreiben. Es wird nicht vom Reisen handeln sondern von etwas ganz anderem. Und mein Herz hüpft vor Freude. Ein weiterer Neuanfang.
Wie ist dein Leben als digitale Nomadin?
Bist du schon mit einem Onlinebusiness durch gestartet oder nimmst du Aufträge an, die ortsunabhängig erledigen kannst? Hinterlasse mir einen Kommentar und gerne auch einen passenden Link dazu. Was definierst du für dich selbst als Freiheit und wie sieht dein ideelles Lebensmodell aus? Falls su noch Fragen hast,,schau doch mal bei Julia auf bezirzt vorbei und nehme Kontakt zu ihr auf.