Reisen mit KindReisetipsStartseiteVerzicht

Eine Familie reist ohne Geld, ein Interview

Stephi8 comments3847 views
Eine Familie reist ohne Geld

Eine Familie reist ohne Geld durch Irland

Ohne Geld in den Urlaub? Wie geht das überhaupt? Und was tut man da wohl seinen Kindern an? Ich selber bin schon seit fast drei Monaten unterwegs und habe dabei einen Bruchteil dessen ausgegeben, was ich in Deutschland gebraucht hätte. Mit dieser Idee bin ich jedoch nicht alleine. Viele junge Menschen reisen schon seit Jahrzehnten auf diese Art und Weise und work and travel zum Beispiel ist längst Programm. Ich treffe aber auch immer wieder Familien, die einen ähnlichen Weg wie ich verfolgen, fernab von Touristenpfaden auf der Suche nach anderen Lebensmodellen. Bei dieser Art des Reisens geht es nicht darum, welche Sehenswürdigkeiten zuerst bestaunt werden oder welche Strandliege reserviert wird, nein es geht um die Frage des nächsten Schlafplatzes, der Essensbeschaffung und Ideen, einen Notgroschen aufzutreiben. Manuela ist mir ihrer Familie ganz ohne Geld durch Irland gereist und steht mir Rede und Antwort in einem Interview, zum Thema eine Familie reist ohne Geld.

1.Ihr seid als Familie nach Irland gereist und hattet eigentlich gar kein Geld dafür. Wie hat eure Umwelt darauf reagiert? Und wie seid ihr mit Kritik umgegangen?

Ja, wir sind als 3 köpfige Familie im März nach der Sonnenfinsternis Richtung Norden aufgebrochen. Eigentlich haben wir keine Kritik erfahren und die Reaktionen von Freunden und Bekannten, Familie und Verwandtschaft waren positiv oder abwartend neutral. Das Thema Geld kam dabei gar nicht zur Sprache und wir haben es auch nicht extra hervorgehoben. 

2.Welche Route habt ihr gewählt und wie seid ihr gereist?

Kurz vor Knapp konnten wir einem Bekannten eine alte Mazda-Klapperkiste abkaufen, die uns nach Irland bringen sollte. Wir fuhren im Allgäu los und steuerten über Belgien die Fähre in Calais an. In England fuhren wir links und auf ziemlich direktem Weg nach Cardiff.
Nach einer Wales Rundreise setzten wir nach Rosslar/ Irland über meine Seelenheimat….Dort besuchten wir u.a. Dublin und blieben sehr lange in Galway, unser beider Liebe.
Wir wohnten in der Nähe von Gort bei einer Gemeinschaft von 3 Freilerner Familien und im Burren, einer verzaubert-bezaubernden Landschaft.

3. Wie ist es eurem Kind dabei ergangen und hattet ihr je das Gefühl, es war eine falsche Entscheidung?

Für Norbu war es ein großartiges Abenteuer und er konnte sich schnell daran gewöhnen unterwegs zu sein und viele neue Orte und Menschen zu entdecken. Anfangs hatte er etwas Mühe, weil ihn niemand verstand und er sich sehr gern mitteilt und sehr offen ist aber schon bald hatte er sich seine ganz eigene “Variante von Englisch” angeeignet und die Verständigung klappte. In Momenten, in denen ich nicht völlig überzeugt war von dem was wir gerade tun, hatte ich manchmal das Gefühl, ob es wohl das Richtige für ihn ist.

4.Wovon habt ihr gelebt? Was habt ihr getan, um an Geld oder Essen zu kommen und wo habt ihr geschlafen?

Wir hatten eine kleine Reisekasse im Voraus als Polster. Eine sehr kleine, denn schon in Dublin waren wir auf das angewiesen, was David als Straßenmusiker verdient! Damit haben wir unsere komplette Weiterreise finanziert. Er ist ein toller Musiker und sein Instrument, der Dudelsack bzw. eine deutsche Sackpfeife, kam gut an und die Menschen waren sehr interessiert daran. So konnten wir einfach von der Hand in den Mund leben und hatten jeden Tag ein gewisses Budget zur Verfügung, das reichte für’s Einkaufen, Benzin, Hotel oder AirBnB Unterkünfte

5. Gab es auch mal einen brenzlichen Moment?

Ja es gab brenzliche Momente! Über die wir aber ganz schnell auch wieder lachen konnten, schließlich braucht man schaurig-schöne Geschichten aus der Fremde. Wir parkten in Dublin in einem Parkhaus und achteten nicht auf die Öffnungszeiten. Und so war das Ding einfach schon zu als wir um kurz nach 19h müde, verfroren und nass vom sympathischen Dubliner Nieselregen uns unser Auto und ein warmes Bett wünschten. Wir riefen beim Security Service an, der uns mitleidlos sagte, es kostet 80 Euro. Wir hatten noch 50,- und ich fast einen Nervenzusammenbruch. Alles diskutieren, ob es denn nicht auf Rechnung ginge, half nichts und so warteten wir auf die Dinge, die da kamen. Eine Frau kam kurze Zeit später mit Ihren 2 Söhnen, steckte eine Karte ins geschlossene Parkhaus und siehe da: die Tür ging auf! Sie hatte eine Anwohner-Sesam-öffne-dich-Karte und wir konnten immerhin ins Warme und trockene um auf den Security zu warten. Wir fanden aber, dass wir jetzt genauso gut auch einfach wieder raus fahren könnten, nachdem wir jetzt schon drin waren. Gesagt,getan…Ticket bezahlt…….doch es kam ganz anders- denn plötzlich schrillte der Alarm im Parkhaus! Oh scheisse….was haben wir getan?? Aber zum Glück kam der Security ums Eck und öffnete uns mit böser Miene das Tor und winkte uns durch, mit dem Kommentar: Go!Go! Puuuhhh. Bezahlt haben wir nur unseren Parkschein und sind nochmal gut davon gekommen.

6.Auf welchen Wegen habt ihr Nächstenliebe erfahren und was glaubt ihr, wo war die Hilfe von Fremden am wichtigsten?

Ein riesengrosses Dankeschön und eine tolle Hilfe waren alle Menschen, die Geld in unseren Hut gaben. Die Geschichte vom Parkhaus zeigt die Hilfe, die wir erfahren durften….sowie viele andere große und kleine Gesten auf unserem Weg. Bei der Familiengemeinschaft durften wir fast gratis wohnen und wurden sehr herzlich in die Familie aufgenommen. Es öffnen sich Türen und Wege, du musst nur anfangen loszugehen!

Euer persönliches Fazit, Würdet ihr es wieder tun?

Unsere erste Reise in der Art war eine Herausforderung und für uns alle ganz Neu – es gab einige Situationen , die uns knallhart lehrten ins Vertrauen zu kommen….
Wir würden es jederzeit wieder tun und planen aktuell unser nächstes Abenteuer, diesmal aber mit VW Bus.

Wie sieht heute euer Lebensmodell aus?

Chronik: Wir sind Manuela.mona(38), David (34) und Norbu (4)….wir entschieden uns im Winter 2013/14 – aus einem Gefühl heraus und der Inspiration der “RohkostFamilie” -die uns überhaupt den Mut gab, verrückt genug zu sein und gross zu träumen – unser Haus zu verlassen und in unsern gelben Bauwagen zu ziehen. Wir wollten freier werden, nicht von vielen Dingen besessen sein, unsere Ernährungsumstellung auf zuerst Vegan und später RohVegan half mit. Es gibt Momente, da wünsche ich mir ein ganz normales Leben, mit Reihenhaus und großem Sofa und einem festen Ort….das ließ uns überlegen, dass wir gerne am Bodensee wurzeln möchten….mal sehen wo der Wind uns hintreibt.

Stephi
Alleinerziehend.Reisesüchtig.Freiheitsliebend.Alternativ.

8 Comments

  1. Ich finde es äußerst bewundernswert auf diese Weise zu leben und zu reisen. Ich könnte es nicht, ansatzweise vielleicht. Low Budget ist da eher mein Ding. Trotzdem schön dass es noch oder wieder (?) mehr Individualität in unserer ach so bequemen uniformen Welt gibt

    1. Ja, da hast du recht. So ein Lebensmodell ist nicht für jeden gemacht und ich freue mich immer wieder, wenn ich genau diese Menschen treffe, die den Mut haben, auch mal auf die Nase zu fallen und es trotzdem nicht tun, weil sie ein Vertrauen in die Welt haben.

Leave a Response