Per Anhalter durch die Welt
Per Anhalter durch die Welt – Ein Erfahrungsbericht
Heute will ich mal ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern und euch einige Geschichten vom per Anhalter unterwegs sein erzählen. Wollt ihr mehr übers Trampen erfahren, lest doch hier ein paar Tipps zum Thema Per Anhalter fahren!
Das erste Mal bin ich mit 17 mit meinem damaligem Freund per Anhalter von einer Tankstelle zur Diskothek gefahren. Nach einer Flasche Wein, versteht sich. Die Männer, die schließlich anhielten, gaben Gas, als ich im Auto war – mein Freund aber noch draußen. Er konnte gerade noch hinterher springen, doch der Schreck saß tief.
Dieser erste Versuch, per Anhalter zu fahren, war also sehr naiv und gefährlich.
Per Anhalter nach Tschechien, mit 18
Los ging es ein gutes Jahr später, mit eben demselben Freund, aber diesmal richtig. Wir fuhren per Anhalter auf ein Festival nahe Tabor, nach Prag und wieder zurück. Wir liefen bei Regen und Hitze mit den Rucksäcken Kilometer um Kilometer, um an besser Stellen zum trampen zu kommen. Wir zelteten mitten in Leipzig hinter einem Imbiss, da wir dort in der Nacht feststeckten – und wurden am nächsten Morgen sehr freundlich mit einem Frühstück geweckt. Wir wechselten uns ab, wer vorne saß und Smalltalk halten „musste“ und wer hinten dösen durfte. Wir schliefen beide im LKW ein und landeten in Bremen statt in Münster. Wir schliefen in Waldstücken und auf Raststätten. Wir schrien vor Empörung, als an der deutsch-tschechien Grenze mitten im Nirgendwo auf unserer Rückkehr ein fast leeres Auto mit Osnabrücker Kennzeichen an uns vorbei düste – genau unser Ziel! Wir saßen zu zweit auf einem Sitz in einem LKW, der Gefahrengut transportierte. Wir spielten mit Babies und Hunden auf der Rückbank, mussten das angezickte Schweigen einer jungen Frau aushalten, dessen Freund uns in das Auto geleitet hat (ohne ihren Konsens), hörten spannende, rührende, sympathische und verrückte Geschichten, änderten unsere Route mehrmals, hatten einen Heidenspaß und danach erst einmal genug vom trampen.
An den Bodensee und nach Österreich
Die nächsten beiden Sommer trampte ich mit Freundinnen einmal an den Bodensee und einmal nach Graz und Wien. Herrliche Erinnerungen von versteckten Seen, an denen wir vier Mädels alleine zelteten, von wett-trampen (welche zweier-Gruppe ist zuerst am nächsten Ziel?), Sonnenuntergängen, Frühstück in der Natur und viel Mädchenzeit. Das per Anhalter fahren als Frauenduo ging auch schneller als mit meinem Freund!
Trampen in Südostasien
In Kambodscha, Laos und Nordthailand fuhr ich für gewöhnlich nicht per Anhalter – Busse sind unheimlich günstig und ich fand es immer komisch, mir eine Fahrt zu „schnorren“, während die einkommenschwächsten Bewohner der Länder Geld bezahlen müssen für überfüllte Sammel-Taxis, Transport-Traktoren, Mini-Busse und vollgestopfte Pick-ups. Das Prinzip des per-Anhalter-fahrens wird nicht verstanden in diesen Ländern. Ich persönlich habe mich auch in all den überfüllten heimischen Verkehrsmitteln wohlgefühlt.
In Malaysia und Südthailand versuchte ich es dann doch ein paar Mal, per Anhalter zu fahren. Es funktionierte gut, auch wenn meine Fahrer meist kein englisch sprachen und teilweise Geld verlangten.
Australiens Westküste und der Outback
Zum Hitchhike-Profi entwickelte ich mich dann schließlich in Australien. Die Städte waren einfach zu weit voneinander entfernt, die Busse und Flüge viel zu kostspielig – also legte ich insgesamt etwa 8000 km per Anhalter zurück. Zum Vergleich: Das ist etwa so viel wie von Deutschland nach Indien!
Hier lernte ich, das alleine per Anhalter fahren wertzuschätzen. Mit Rucksack, Zelt, Schlafsack und ein wenig Essen unterwegs.
Abends schlug ich mein Zelt abseits der Straßen auf. Ich machte ein Feuer, schnitt das Gemüse, das ich in meinem Rucksack mitgenommen hatte, schmiss es mit ein bisschen Reis in meinen kleinen Topf und stellte es auf die Glut. Für den Nachtisch legte ich noch eine Birne neben das Feuer. Den Campingkocher habe ich schon früh aussortiert.
Es sind diese Abende, an die ich denke, wenn ich mich an Australien erinnere. Das alleine sein, in der Natur, in der Stille. Das Abschalten. Das Sterne schauen. Die Überraschung darüber, dass ich mich gar nicht unwohl fühle, so alleine. Die Dankbarkeit für das einfache Essen und für die Wärme des Feuers. Das einkuscheln in den Schlafsack.
Als junge Frau alleine per Anhaltr zu fahren ist logischerweise sehr einfach. Niemand erwartet, dass eine Gefahr von dir ausgeht – im Gegenteil, der Beschützerinstinkt schaltet sich bei vielen Menschen an. Ich hatte fantastische Erfahrungen.
Einmal bin ich von dem Bürgermeister einer Aborigine-Kommune mitgenommen und zum Mittagessen eingeladen worden, der mit von den Herausforderungen seines Amtes erzählte. Dann hat mich ein Schrottwarenhändler mit zum Schrottplatz genommen, seinen Schrott dort abgeliefert und ist dann mit mir mitsamt seinem LKW Richtung Norden gefahren – er würde mich so weit bringen, wie er Lust habe, sagte er. Nach 300km bezahlte er uns zwei Hotelzimmer für die Nacht und fuhr mich am nächsten Morgen noch 100 km weiter nördlich. Um dann wieder umzukehren und weiter Schrott zu sammeln.
Einmal hielt ein Backpacker-Auto an. Ich stieg bei den zwei Italienern mit ein – und wir brachen alle drei prompt in Freudengeschrei aus, da diese Typen ein halbes Jahr zuvor etwa 4000 km weiter südlich meine Arbeitskollegen gewesen sind.
Und dann organisierten die LKW-Fahrer häufig telefonisch schon Mitfahrgelegenheiten für meine weitere Strecke.
Und das per Anhalter fahren im Outback, in der Wüste! Sengende Hitze, kaum Schatten, 2 Autos in einer halben Stunde und das Wissen, dass die Nacht wieder unter 0°C sein wird….
Und dann waren da noch all die Übernachtungsangebote. Keiner schien mich nachts einfach irgendwo absetzen zu wollen. Hatte ich ein schlechtes Bauchgefühl, lehnte ich die Angebote ganz betimmt, evtl. mit einer Ausrede, wieder ab. Und sonst schlief ich in irgendwelchen WGs, in Ferienhäusern, in Prunk-Villen,..
Das ist und bleibt das Spannendste beim per Anhalter fahren für mich – man weiß nie, wo und wie man die Nacht verbringen wird. Ich verbrachte Abende mit einer Isomatte unter LKWs, um mich vor Regen zu schützen und bei -4°C in einer Hängematte hinter einer Raststätte (am nächsten Morgen kamen Leute mit heißem Kaffee und fragen, ob ich okay sei). Und ich verbrachte Abende in einer Jacuzzi, nach einem drei-Gänge-Menü, einen Sekt in der linken und einem Eis in der rechten Hand – alles bloß, weil ich das Übernachtungsangebot meiner Fahrerin angenommen hatte!
Mit Kind per Anhalter unterwegs
Ja, auch mit meiner Tochter bin ich schon getrampt. Das ist aber eher aus Not geboren als aus Überzeugung geschehen aber hat mir auch wieder herrliche Erlebnisse beschert
In Spanien blieb es bei zwei halbherzigen Versuchen, mit meiner 10-Monate-alten Tochter per Anhalter zu fahren.
In England ist sie dann gerade zwei geworden. Beim Reisen durch den Süden Englands waren die Verbindungen mit Bussen und Zügen teils sehr schlecht. Wir wollten von Stonehenge nach Shaftesbury. 35 km mit Auto. Öffentliche Verkehrsmittel: 3 Stunden, etwa 50 Euro. Nein, danke, das wollte ich weder meinem Geldbeutel noch meiner Tochter antun.
Ich stellte mich an den Straßenrand mit Mayla vor dem Bauch in der Tragehilfe – eine zu stark befahrene Stelle, als dass ich sie herunter lassen würde.
Keine 10 Minuten später hielt ein Nachbar an, der eigentlich in die andere Richtung musste aber Zeit hatte, uns „eben“ zu bringen. Er fuhr Landstraßen – eine Abkürzung, die er kenne. Er verfuhr sich, so dass wir im Endeffekt auch fast 1,5 Stunden unterwegs waren. Dafür gab es eine nette Unterhaltung, ein direktes Absetzen vor der Tür meiner Couchsurfer und eine richtig schöne Tour durch Südenglands kleine Dörfer. Herrlich 🙂
Das nächste Mal per Anhalter fahren war eher ungeplant – Nachdem ich mit Sack und Pack (meiner Tochter und Gepäck) die 2km von Taunton’s Bahnhof zum Busbahnhof lief, um den 10.30 Bus nach Glastonbury zu nehmen, erfuhr ich dort, dass Feiertag sei und es keine Verbindungen nach Glastonbury gäbe. Gar keine. Mein Hostel und der Bus für den nächsten Tag waren aber schon für Glastonbury gebucht.
Also lief ich weitere 2km, bis kurz vor den Highway. Mayla setzte sich auf den Bürgersteig auf meinen Rucksack und frühstückte dort ihr Brot, während ich den Daumen raushielt. Wieder wartete ich gute 10 Minuten, dann hielt ein Mann an, der sogar den Kindersitz seines Enkels im Auto hatte. Er wohnte hier in Taunton, brachte uns aber trotzdem die 35km nach Glastonbury, direkt vor unser Hostel.
Die wenigen Erfahrungen, per Anhalter mit Kind unterwegs zu sein, waren für mich also äußerst positiv!
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